Wechsel in der Geschäftsführung von palliative.ch: Auf Renate Gurtner Vontobel folgt Corina Wirth

In der Geschäftsstelle von palliative.ch kam es per 1. Februar zur Stabübergabe von Geschäftsführerin Renate Gurtner Vontobel an ihre Nachfolgerin Corina Wirth. «palliative.ch» hat sich aus diesem Anlass mit der bisherigen und der neuen Geschäftsführerin zum Gespräch getroffen.

Das Gespräch führte Christian Ruch, Chefredaktor «palliative.ch»

palliative.ch: Renate, du erlebst gerade deine letzten Tage als Geschäftsführerin von palliative.ch – wie geht es dir? Lacht das Auge oder weint es?

Renate Gurtner Vontobel: Sowohl als auch, aber es lacht vor allem, denn es ist gerade eine super Zeit, weil ich alle noch einmal treffen kann. Die Fachgesellschaft ist sehr gut aufgestellt, es gäbe also keinen besseren Moment, sie von der einen Hand in die andere zu übergeben. Es ist aber auch eine strenge Zeit, denn ich möchte vieles noch pfannenfertig hinterlassen. Und es ist emotional – die letzte Sitzung hier, die letzte Sitzung da. 

Gab es in den vergangenen Jahren auch Momente, in denen du die Herausforderung als zu gross erlebt hast?

Renate Gurtner Vontobel: Wir arbeiten immer auf einem sehr hohen Niveau, weil wir mit den begrenzten Ressourcen, die wir haben, versuchen, aus wenig viel zu machen und effizient zu sein, aber ich habe rückblickend nicht das Gefühl, dass mal etwas zu viel war. Intensiv und spannend war sicher die Corona-Zeit, als wir Tag und Nacht geschafft haben, um als Palliative Care unseren Beitrag zu leisten, etwa mit der Schaffung der Task Force, der Ausarbeitung der Guidelines und viel Kommunikation. 

Du hast drei Präsidentinnen erlebt, darunter zwei Bundesparlamentarierinnen. Wie wichtig ist das politische Standing hier in Bern?

Renate Gurtner Vontobel: Die Zusammenarbeit war mit jeder Präsidentin super. Bei Monika Obrist habe ich ihr unglaubliches Fachwissen geschätzt. Marina Carobbio gerade während der Corona-Pandemie als Präsidentin zu gewinnen, kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Als Ärztin und Tessinerin hat sie hautnah miterlebt, was Corona bedeutet, und als Ständerätin war sie die richtige Persönlichkeit, um das Thema Palliative Care ins Parlament zu bringen und andere Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit ihrer Motion dafür zu sensibilisieren. Sie hat Palliative Care auf die nationale politische Agenda gesetzt. Und Manuela Weichelt führt jetzt als aktuelle Präsidentin die politischen Geschäfte mit viel Dynamik und Effort weiter.

Was waren deine grössten Erfolge?

Renate Gurtner Vontobel: Zum einen wie gesagt unser Engagement während der Corona-Pandemie, was zum Auftrag des BAG geführt hat, unsere Erkenntnisse aufzuarbeiten. Damit konnten wir Lücken schliessen, indem wir Haus- und Heimärzte weitergebildet und landesweit Netzwerke für die Langzeitpflege aufgebaut haben. Dieses Empowerment ist nicht nur wertvoll, sondern macht auch Freude. Ebenso erfreulich ist, dass uns eine grosse Stiftung ein Projekt für eine einheitliche Indikationskriterienliste zuhanden von Mobilen Palliativdiensten zur Verfügung stellt. Es geht da nicht nur ums Geld, sondern auch darum, dass so viele Beteiligte gut zusammenarbeiten und sich damit identifizieren. 

Wenn du mal auf deinen ersten Arbeitstag zurückblickst – was hat sich völlig anders entwickelt als erwartet?

Renate Gurtner Vontobel: Wir stehen heute an einem ganz anderen Ort, wobei ja schon vor mir viel geleistet wurde. Wir haben den Verband von der Pionier- in die Professionalisierungsphase geführt, heute ist mehr klar definiert, die Zuständigkeiten sind geklärt und die Kommunikation ist viel intensiver, zum Beispiel im Bereich von Social Media. 

Corina, du hast die Stelle per 1. Februar übernommen – was hast du vor dem Stellenwechsel gemacht?

Corina Wirth: Ich bin ursprünglich Physikerin, habe in Neurophysiologie promoviert und bin so in den Bereich der Medizin gekommen, die mich schon immer interessiert hat. Während meiner Forschungszeit habe ich gemerkt, dass mich die politischen Aspekte mehr interessieren als die Forschung im Labor. Ich habe daher anschliessend im Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation gearbeitet und war dort für die Hochschulmedizin zuständig. Ich habe ausserdem zehn Jahre lang unterrichtet und als Partnerin einer Firma auch eine Runde in der Privatwirtschaft gedreht. Vor neun Jahren übernahm ich die Geschäftsstelle von Public Health Schweiz. Das war am Anfang eine kleine Geschäftsstelle, die ich stark vergrössert habe. Jetzt hatte ich den Wunsch, etwas Neues zu machen und fand, palliative.ch sei so etwas wie die logische Folge. Es ist einerseits eine ähnliche Organisation mit ähnlichen Herausforderungen, und Palliative Care ist auch ein Public-Health-Thema. Andererseits beschäftige ich mich nun mit ganz neuen Themen und Aspekten. Insofern ist es eine gute Mischung aus Neuem und dem, was ich schon weiss, sowie meinen Netzwerken, die ich nutzen kann. 

Was ist besonders neu und unbekannt für dich?

Corina Wirth: Sicher das Fachliche, zum Beispiel das Hospizwesen oder die Themen Weiterbildung und Qualitätssicherung.

Wo siehst du deine wichtigsten Aufgaben?

Corina Wirth: Ich glaube, nach der ersten Phase der Pionierarbeit mit viel freiwilligem Einsatz und der zweiten Phase der Professionalisierung muss es nun zu einer dritten Phase kommen, in der die Professionalisierung nochmals einen höheren Grad erreicht und auch ein Preisschild bekommt. Man muss aus dem Denken, dass vieles freiwillig und gratis ist, herauskommen. Ausserdem möchte ich die gesellschaftlichen Entwicklungen nutzen und als ein „window of opportunity“ begreifen: Wir haben es jetzt mit der gut ausgebildeten Baby-Boomer-Generation zu tun, die wahrscheinlich selbst bestimmen will, wie sie sterben möchte und mit dem Thema Palliative Care vielleicht weniger Berührungsängste hat. Dies kann uns helfen, Palliative Care noch besser zu verankern. Des Weiteren werden uns die Fragen rund um Digitalisierung und KI beschäftigen. KI wird viele Jobs überflüssig machen. Werden Roboter auch Pflegeleistungen übernehmen? In Japan ist das weit weniger ein Tabu als bei uns. Wir haben aber andere gesellschaftliche und kulturelle Voraussetzungen, und wir werden daher als Gesellschaft diskutieren müssen, in welchem Mass wir KI einsetzen möchten. Ich kann mir gut vorstellen, dass die persönliche Betreuung und Pflege einen ganz neuen Wert bekommen, weil wir nicht möchten, dass sie von einer Maschine übernommen werden.

Was machst du, wenn du nicht für palliative.ch tätig bist?

Corina Wirth: Ich fahre Velo, Ski und gehe wandern, ich koche gern und führe auch im Privatleben sehr gern Diskussionen über gesellschaftliche Themen, das finde ich total spannend!

Herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute!

Der vollständige Dialog mit der scheidenden Geschäftsführerin Renate Gurtner Vontobel und unserer neuen Geschäftsführerin Corina Wirth ist in der kommenden Ausgabe von palliative.ch (März 2025) zum Thema Resilienz nachzulesen.

Publiziert am in: News

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