Gesundheitliche Vorausplanung und Patientenverfügung

Jede Person soll gemäss ihrem Willen und ihren Wünschen behandelt und betreut werden.

living in old people's home: senior woman gets attention - hand on shoulder

Die gesundheitliche Vorausplanung ist für Menschen in den verschiedensten Situationen von Bedeutung. Sie sollte regelmässig stattfinden und sich den Gegebenheiten anpassen. Bereits gesunde Personen sollten sich damit auseinandersetzen, unter welchen Bedingungen für sie das Leben trotz Einschränkungen noch lebenswert wäre. Es ist sinnvoll, sich im Voraus mit einer Person des Vertrauens für den Fall der eigenen Urteilsunfähigkeit auszutauschen. 

Menschen mit chronisch fortschreitenden Krankheiten haben bereits Vorerkrankungen, welche den Verlauf der weiteren Erkrankung beeinflussen. Oftmals liegen bereits körperliche Einschränkungen vor. Um eine Behandlung zu ermöglichen, die dem eigenen Willen entspricht, ist es wichtig, diesen mit einer medizinischen Fachperson zu besprechen. 

Roadmap: Gesundheitliche Vorausplanung alltäglich machen


23. März 2023:
Die Gesundheitliche Vorausplanung (GVP) stärkt die Selbstbestimmung, z.B. bei der Behandlung nach einem schweren Unfall, einer fortgeschrittenen Krankheit oder Demenz. Eine Gesundheitliche Vorausplanung muss für alle möglich sein. Eine nationale Arbeitsgruppe unter der Leitung der SAMW und des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) hat 12 Empfehlungen in einer Roadmap formuliert, um die Gesundheitliche Vorausplanung im Alltag zu etablieren.

Roadmap für die Umsetzung der Gesundheitlichen Vorausplanung (GVP) in der Schweiz

Die Grafik gibt eine Übersicht über die drei unten beschriebenen Module.

Module für die Umsetzung

Die Ausgestaltung und Umsetzung der GVP sind in der Roadmap in drei Module aufgeteilt:


Allgemeine Gesundheitliche Vorausplanung

Für Menschen in allen Lebensphasen und -situationen, die sich Gedanken zur Behandlung bei Krankheit, Unfall, Behinderung, zum Lebensende und zur Organspende machen. Ein Verlust der Urteilsfähigkeit kann zu jedem Zeitpunkt und in jedem Alter auftreten. Im Zentrum dieses Moduls steht die Frage, welche Behandlungen in einer solchen Situation gewünscht oder nicht gewünscht würde. Zudem soll eine vertretungsberechtigte Person aus dem eigenen Umfeld benannt werden, die am besten geeignet ist, stellvertretend Entscheidungen zu treffen.


Vertiefte Gesundheitliche Vorausplanung

Für Menschen in allen Lebensphasen und -situationen, die sich vertieft mit den eigenen Werten und/oder Therapiezielen im Hinblick auf medizinische Interventionen auseinandersetzen. Insbesondere Menschen mit chronischen körperlichen oder psychischen Erkrankungen, mit zunehmender Gebrechlichkeit, mit kognitiver Behinderung und/oder mit beginnender Demenz sollen sich vertieft mit der persönlichen Werthaltung und Behandlungszielen auseinandersetzen. In diesen Fällen kann eine Behandlungsplanung für möglicherweise eintretende Situationen ausgearbeitet werden. Der persönliche Wille für oder gegen bestimmte medizinische Massnahmen wird schriftlich in einer Patientenverfügung und/oder im Behandlungsplan festgehalten. Eine fachliche Beratung ist für diese vertiefte Gesundheitliche Vorausplanung dringend empfohlen.


Krankheitsspezifische Gesundheitliche

Vorausplanung Für Menschen mit fortgeschrittener unheilbarer Krankheit, chronischen körperlichen und/oder psychischen (Mehrfach-)Erkrankungen, inkl. Menschen mit schwerer kognitiver Behinderung sowie Kinder/ Jugendliche mit lebenslimitierenden Erkrankungen und/oder Menschen nahe am Lebensende. Die Therapieziele sollen mit fachlicher Beratung festgelegt und nach Möglichkeit mit den nahestehenden Personen diskutiert werden. Dabei werden Wünsche und Erwartungen an die Behandlung und Pflege am Lebensende konkretisiert.

Empfehlungen

Zur Umsetzung der Ziele der Roadmap wurden zwölf Empfehlungen ausgearbeitet. Diese zeigen auf, worauf im Prozess der GVP besonders zu achten ist.
 

Empfehlungen für Betroffene, nahestehende Personen und Interessierte

  • Empfehlung 1: Vertretungsberechtigte Person bestimmen und informieren
    Jede und jeder sollte eine vertretungsberechtigte Person bestimmen. Diese soll über ihre Rolle und Aufgabe aufgeklärt werden und diese akzeptieren. Die vertretungsberechtigte Person muss sich im Falle der Urteilsunfähigkeit der/des Betroffenen an der Patientenverfügung und dem mutmasslichen Willen orientieren und Entscheidungen im Sinne der urteilsunfähigen Person treffen.
  • Empfehlung 2: Persönliche Werthaltung formulieren
    Medizinische Behandlungsentscheidungen im Fall einer Urteilsunfähigkeit basieren auf der persönlichen Werthaltung (Einstellung gegenüber Leben, Krankheit und Sterben). Ist diese bekannt bzw. schriftlich hinterlegt, hilft dies im Ereignisfall dem medizinischen Behandlungsteam, gemäss dem Willen der urteilsunfähigen Person zu handeln. Gespräche mit nahestehenden Personen und/oder niederschwellige Beratungsangebote helfen beim Verschriftlichen.
  • Empfehlung 3: Willen bezüglich Therapiezielen und medizinischen Massnahmen bilden
    Um Therapieziele und Entscheide für oder gegen bestimmte medizinische Interventionen (z. B. Reanimation, künstliche Beatmung) und Behandlungen (z. B. Antibiotikatherapie, künstliche Ernährung) im Fall der Urteilsunfähigkeit festzulegen, empfiehlt sich ein Gespräch mit einer dafür geschulten Fachperson.
  • Empfehlung 4: Betreuung und Behandlung für komplexe Situationen und/oder das absehbare Lebensende planen
    Die detaillierte Planung umfasst medizinische und pflegerische sowie auch psychosoziale und spiritu[1]elle Aspekte in Einklang mit den Therapiezielen. Sie empfiehlt sich für Personen mit fortgeschrittener unheilbarer Krankheit, chronischen körperlichen und/oder psychischen (Mehrfach-)Erkrankungen und/oder schwerer kognitiver Behinderung oder wenn das Lebensende absehbar ist. Dies gilt für alle Altersgruppen.
  • Empfehlung 5: Dokumentation regelmässig aktualisieren und zugänglich machen
    Die Ergebnisse der eigenen GVP sollen schriftlich festgehalten und in regelmässigen Abständen überprüft und aktualisiert werden. Das gilt vor allem dann, wenn sich die Lebens- oder Gesundheitssituation wesentlich verändert. Die Dokumente müssen in geeigneter Form – vorzugsweise im elektronischen Patientendossier – zugänglich sein.


Empfehlungen zur Sensibilisierung und Information

  • Empfehlung 6: Leitfragen für die Gesundheitliche Vorausplanung bereitstellen
    Geeignete Fragen für die Auseinandersetzung mit den eigenen Werten, Vorstellungen und Präferenzen werden auf der Basis bestehender Grundlagen und im Austausch mit Fachpersonen und/oder Beratungsorganisationen erarbeitet.
  •  Empfehlung 7: Zielgruppenspezifisch sensibilisieren und informieren
    Sensibilisierungsaktivitäten und Informationskampagnen regen an, sich mit der GVP zu befassen. Die Wissensvermittlung sollte in unterschiedlichen Formen und zielgruppenspezifisch erfolgen, z. B. durch Broschüren, Kurzfilme oder Webapplikationen. Sie sollen für alle Bevölkerungsschichten und in verschiedenen Sprachen zugänglich und verständlich sein. Informationsveranstaltungen und kompetente Beratungen eröffnen der Bevölkerung einen Zugang zum Thema. Auch Fachpersonen sollen mit auf sie ausgerichteten Sensibilisierungsaktivitäten und/oder mit Schulungen angesprochen werden.


Empfehlung für Fachpersonen

  • Empfehlung 8: Kommunikative und methodische Fachkompetenzen stärken
    Fachpersonen im Gesundheitswesen und aus dem Sozial- und Beratungsbereich sind in ihren kommunikativen und methodischen Kompetenzen und ihrem fachspezifischen Wissen in GVP und Palliative Care stufengerecht und institutionsspezifisch zu stärken. Entsprechende, Aus-, Weiter- und Fortbildungen sollen Fachpersonen bei der fundierten Beratung zur GVP unterstützen.


Empfehlungen zur Qualitätsverbesserung

  • Empfehlung 9: Minimalstandards für Patientenverfügungen festlegen
    In Bezug auf den Inhalt und die Qualität von Patientenverfügungen sollen minimale Standards für Vorlagen von Patientenverfügungen erarbeitet und umgesetzt werden.
  • Empfehlung 10: Betreuungs- und Behandlungspläne institutionsübergreifend zugänglich machen
    Betreuungs- und Behandlungspläne sollen über die Institutions- und Berufsgrenzen hinweg zugänglich sein und angewendet werden können. Dazu braucht es (auch) technische Lösungen. Es wird empfohlen, die GVP-Dokumentation ins elektronische Patientendossier zu integrieren.
  • Empfehlung 11: Klärungen zur Ärztlichen Notfallanordnung (ÄNO)
    Ein Formular der ÄNO hält die Therapieziele und Behandlungswünsche für akute Notfallsituationen fest. Die Bedeutung der ÄNO-Formulare und ihr Verhältnis zu anderen Dokumenten der GVP sollen geklärt und ihre Verwendung in der gesamten Schweiz einheitlich eingeführt werden.
  • Empfehlung 12: Rahmenbedingungen für die Abgeltung von Leistungen zur GVP
    Die Abgeltung von Aufwendungen der Fachpersonen im Bereich GVP sind zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern, damit die GVP im Gesundheitswesen verankert und gestärkt werden kann.

    Impressum
    Herausgeberschaft
    Bundesamt für Gesundheit BAG
    Schwarzenburgstrasse 157
    CH-3003 Bern

    und

    Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW
    Haus der Akademien
    Laupenstrasse 7
    CH-3001 Bern 
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