MiGeL: Wann sind Pflegehilfsmittel medizinisch notwendig und wann sind sie «nice to have»?

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat vergangene Woche die Liste C der Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL) veröffentlicht. Es handelt sich dabei um eine Positivliste. Die Kosten für Produkte, die nicht auf der Liste figurieren, werden ab dem 1. Oktober 2022 nicht mehr von den Krankenversicherern direkt vergütet. Medinside sprach mit unserer Pflegewissenschaftlerin Catherine Offermann und holte ihre erste Einschätzung aus der palliativen Perspektive dazu ein.

Bericht von Medinside:

Die Akteure im Gesundheitswesen wurden bislang im Dunkeln gelassen, wie weit die von ihnen benötigten Hilfsmittel und Gegenstände dann auch wirklich auf der Liste stehen. In einer ersten Stellungnahme gaben sich die betroffenen Pflegeverbände vergangene Woche noch zurückhaltend in der Beurteilung, ob nun alle notwendigen Hilfsmittel- und Gegenstände auf der Liste aufgeführt sind.

Pflasterentfernungsmittel - nur «nice to have»?

Obwohl die meisten der eingereichten Gesuche aufgenommen wurden, zeigt sich Catherine Offermann von palliative.ch erstaunt darüber, dass beispielsweise Pflasterentfernungsmittel auf der Liste C nur bei ganz spezifischen Patientengruppen akzeptiert wurde und nicht für alle Patienten. Insbesondere für Menschen in palliativen Situationen oder auch für Kinder sollten sie nach ihrer Meinung zulasten der Krankenkasse verrechnet werden können.

Das heisst, dass die entsprechenden Kosten vom Patienten getragen oder über die Liste A abgerechnet werden müssen. Die Liste A enthält das Verbrauchsmaterial, das nicht spezifisch einzelnen Patientinnen und Patienten zugeordnet wird. Es wird als allgemeines Verbrauchsmaterial im Rahmen der Pflegepauschale abgerechnet. Je mehr Materialien via Liste A abgerechnet werden, desto tiefer muss der Restfinanzierer, der Kanton oder die Gemeinde, in die Tasche greifen.

Das Problem der WZW-Kriterien

Dieses Beispiel, so Offermann weiter, weist zudem auf ein generelles Problem hin, mit dem insbesondere die palliative Pflege konfrontiert ist. Nämlich der Umstand, dass etliche zum Einsatz kommende Mittel oder Hilfsmittel zur Verbesserung der Lebensqualität und Verminderung des Leidens am Ende des Lebens nicht den WZW-Kriterien genügten - der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit. Sie gelten somit als nicht zwingend und notwendig.

«Bei Pflegematerialen ist es nicht immer eindeutig, wie weit der Einsatz eines Hilfsmittels als Komforttherapie gelten kann», sagt Catherine Offermann. Sie denkt dabei neben den oben erwähnten Pflasterentfernungsmitteln zum Beispiel auch an Lagerungskissen oder Wechseldruck-Luftlagerungssysteme, die den Auflagedruck bei bettlägerigen Menschen reduzieren.

Sind sie nun notwendig oder bloss «nice to have»? Offiziell sind sie momentan noch «nice to have». Laut Offermann sind sie aber mehr als das. Pflegefachpersonen würden diese Hilfsmittel gezielt nur in den Fällen einsetzen, wo sie auch wirklich notwendig sind und begründet werden können.

Laut Catherine Offermann wird es nun Aufgabe der Praxis sein, die Liste C umzusetzen und allfällige Lücken mit neuen Eingaben und Anträgen zu schliessen.

Claude Chatelain von Medinside

www.medinside.ch





Das sind die Listen A, B und C

Beim Material der Kategorie A handelt es sich um einfaches Verbrauchsmaterial mit direktem Bezug zu Pflegeleistungen sowie zum Mehrfachgebrauch für verschiedene Patientinnen und Patienten.

Beim Material der Kategorie B handelt es sich um die Mittel und Gegenstände, die von der versicherten Person selbst, mit Hilfe einer nichtberuflich an der Untersuchung oder Behandlung mitwirkenden Person oder im Rahmen der Erbringung der Pflegeleistungen durch selbständige Pflegefachpersonen, Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause oder Pflegeheime verwendet werden.

Beim Material der Kategorie C handelt sich um die Mittel und Gegenstände, die ausschliesslich im Rahmen der Erbringung der Pflegeleistungen durch selbständige Pflegefachpersonen, Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause oder Pflegeheime angewendet werden.

Publiziert am in: News

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